Sonnenuntergang in Porto Alegre

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Sonntag, 5. September 2010

Erste Woche im Cesmar

Seit einer Woche arbeite ich jetzt jeden Tag im Cesmar und da ich jeden Tag neugierige Fragen erhalte, was ich da so mache und wie alles abläuft, versuche ich mal, ein bisschen meine Aeit zu beschreiben.

Ich befinde mich im Moment noch in der Eingewohnungs- und Observationsphase, um das Projekt besser kennen zu lernen und mich zurechtzufinden.
Deshalb komme ich jeden Morgen um kurz nach 8 im Cesmar an und bespreche mit meinem Chef Marco, in welchem Bereich ich mich heute aufhalten werde.
Die Kinder kommen um kurz vor 8 ins Cesmar und frühstücken dann gemeinsam und nach dem Essen gehen sie in ihre "Turmas". Turmas sind in etwas sowas wie Klassen; es gibt 8 verschiedene, die nach Altersstufen getrennt sind. In der ersten Turma sind die Kinder 5 oder 6 Jahre alt, in der Turma 8 sind die 15jährigen.
Ich besuche jeden Tag eine andere Turma und schaue mir an, was die Educadoren, quasi die Lehrer des Projektes, mit den Kindern machen. Jeder Educador ist für einen anderen Bereich zusändig: Es gibt einen Sport-Educador, eine Kunst-Educadorin, eine Theater-Educadorin, einen Capoeira-Educador, einen Hip-Hop-Educador, einen Gauchotänze-Edcador, einen Percussion-Educador, eine Informatik-Educadorin, eine Tanz-Educadorin, eine "Unterrichts"-Educadorin und Educadorinnen, die sich nur um die unteren Turmas kümmern.
Die meisten Turmas haben an jeden Tag mit verschiedenen Educadoren "Unterricht" und dem Alter entsprechend werden dann auch unterschiedliche Dinge gemacht.

Da ich die Kinder noch nicht kenne und auch meine Portugieischkenntnisse zwar für den Hausgebrauch, aber noch nicht zum Streitschlichten reichen, ist es in den ersten Wochen etwas schwierig, mich ins Geschehen einzubringen. Aber es gibt immer kleine Sachen, die ich machen kann, um den Ablauf im Cesmar zu vereinfachen oder mit den Kindern in Kontakt zu treten: Papier und Stifte zum Malen austeilen, bei einem Gruppenspiel die Punkte an der Tafel notiere, die Karten für die Kleinen mischen, das Springseil schlagen, beim Austeilen des Essens helfen oder in der Pause fangen spielen.

Ich habe zur Zeit noch keine “festen” Aufgaben, sondern mache eben solche kleinen Dinge. Die Kinder sind begeistert von unseer Anwesenheit. Die meisten haben keine Ahnung, wo Deuschland eigentlich liegt und verstehen es nicht, dass wir eine andere Sprache sprechen, aber sie wissen: Wir sind von weit, weit her gekommen, um mit ihnen zu spielen. Die Definition von “weit, weit her” ist aber eine etwas andere für die Kinder, die noch nie ihr Stadtviertel verlassen haben und so warden wi r jeden abend an der Bushaltestelle gefragt, welchen Bus man eigentlich nehmen muss, um nach Deutschland zu fahren.

Wenn wir morgens im Projekt erscheinen, ist das jedes mal noch ein Ereignis: “SORA!!” schallt es von allen Seiten über den Hof, die Kurzform von “profesora”, Lehrerin, wie die Kinder mich nennen. Meine Stellung zweifeln die Kleinen in keiner Weise an und so wede ich auch häufig am Ärmel gezupft, um einen Streit zu schlichten. Dafür reichen meine Sprachkentnisse bei weitem noch nicht, aber manchmal hilft schon ein strenger Blick und ein “calma, meninos” in etwa “ruhig Kinder”, um die Situation zu klären.

Das Verhältnis zwischen Educadoren und Kindern ist nicht mit der deutschen Schüler-Lehrer-Beziehung zu vegleichen. Sie Educadoren werden von den Kindern zur Begrüssung und zum Abschied geküsst und während des Tages häufig umarmt, sie halten auf dem Hof Händchen oder sitzen im Untericht auf dem Schoss der Educadoren. Unser Chef hat uns erklärt, dass die meiste Kinder zu hause wenig Liebe, Wärme und Geborgenheit empfangen: häufig sind die Eltern gewalttätig, alcohol- oder drogenabhänig, viele Mütter sind sehr früh ungewollt schwanger geworden und deshalb mit der Erziehung komplett überfordert.

Im Cesmar wird das ein bisschen aufgefangen und die Kinder bekommen von uns buchstäblich die “Streicheleinheiten”, die zu Hause fehlen. Auf diesm Hintergrund muss man auch die häufigen Streitigkeiten und Reiberein zwischen den Kindern sehen, die mich in den ersten Tagen zugegeben ein bisschen geschockt haben. Die meisten Kinder lernen Gewalt aber in ihrem Alltag als normale Kommunikationsform kennen und prügeln sich deshalb so häufig, andere forden so einfach Aufmerksamkeit ein. Das Vorhegen bei Prügelein ist deshalb: Die Streithähne trennen, am besten mit 2 Educadoren, und den Konflikt klären. Dabei die KInde anfassen und amgucken. Wenn das nicht hilt oder es sich um eine handfeste Prügelei handelt, kommt Marco ins Spiel, der mit den betreffenden Kinder nein klärendes Gespräch in einem gesonderte Raum führt oder auch Massnahmen wie zeitweilige Suspendierung vom Cesmar ergreifen kann. Ein wirklich harte Konsequenz für die Kinder, denn sie sind sehr gerne im Cesmar.

Die Kinder verlassen das Cesmar um 11.30 Uhr und dan haben wir Educadoren Mittagspause, wir essen gemeinsam und beschäftigen uns dann bis 13.30 Uhr, wenn die zweite Schicht Kinder eintrifft. Der Ablauf ist dann ähnlich wie am Morgen, um 15.00 Uhr gibt es noch eine Mahlzeit für die Kinder und um 17.20 Uhr gehen sie nach Hause und auch wir machen uns auf den Heimweg.

Ich hoffe, ihr habt einen kleinen Einblick erhalten, was ich den ganzen Tag so mache und könnt euch das Cesar vorstellen, aber wahrscheinlich nicht: Es fehlen mir irgendwie die Worte, um dieses grossartige Projekt, dass wie eine Oase in der Favela liegt, zu beschreiben. Häufig sagt ja ein Foto mehr als 1000 Worte, aber bis jetzt habe ich noch keine, die ich zeigen könnte, denn ich wollte in den ersten Tagen von den Kindern nicht als “Tourist” wahrgenommen warden, sondern als echte Educadorin.

Fotos folgen aber noch, wenn ich etwas länger hier bin!

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