Sonnenuntergang in Porto Alegre

Sonnenuntergang in Porto Alegre

Porto Alegre

"Gaúchos", die Einwohner von Gio Grande do Sul
Wer bei "Brasilien" nur an "Samba, Rio, Zuckerhut" denkt, der liegt ziemlich falsch. Mit diesem Klischee-Brasilien hat Porto Alegre (sprich: Portu Alägri, bedeutet "Fröhlicher Hafen") und die ganze Provinz Rio Grande do Sul (sprich: Hiu Grandschi do suh) wenig gemeinsam. Die Landschaft und das Leben hier unten im Süden erinnert eher an das Klischeebild, das man von Argentinien und Uruguay im Kopf hat: "Pampa, Gauchos, Matetee". Die Temperaturen sind hier unten auch keinesfalls tropisch, eher europäisch, aber es wirkt sehr viel kälter, weil es sehr feucht ist. Ausserdem haben die meisten Häuser keine Heizung. Die "gaúchos" sind extrem stolz auf ihren Staat und ihre ganz eigene Kultur und singen deshalb häufig und mit Inbrunst ihre Hymne:



Porto Alegre ist die Hauptstadt des Staates Rio Grande do Sul und hat laut offiziellen Angaben ca. 4.064.186 Einwohner. Wahrscheinlich sind es jedoch deutlich mehr, die von keinem Meldesystem erfasst werden, z.B. weil sie keine Geburtsurkunde haben oder auf der Strasse leben.
Der Lebensstandard in Porto Alegre ist deutlich höher als in den meisten anderen brasilianischen Grossstädten: 2009 lag der  Prozentsatz der Personen, die in Armut leben, "nur" bei 25.7 % und Porto Alegre ist die drittreichste Stadt in Südbrasilien, nach São Paulo und Rio de Janeiro.

Porto Alegre ist laut, voll, grün - und voller Gegensätze.
Bei vielem könnte man denken, man wäre in einer europäischen Grossstadt: Moderne Architektur, ein MC Donalds an jeder Ecke, riesige Gebäudekomplexe, gepflegte Parks. Umso krasser sind dagegen die überall in der Stadt verstreuten Favela-Bezirke mit Wellblechhütten, die Starkstromleitungen, die überall in der Luft hängen oder die Müllabfuhr mit Pferdekarren.
Es gibt hier glaub ich nichts, was es nicht gibt: Restaurants mit Speisen aus aller Herren Länder, Läden mit jeglicher Art von Mode und auch sonst alles, was man sich nur wünschen kann - ganz anders als in Nicoya, Costa Rica, wo man für fast ales, was über Brot, Milch und Shampoo hinausging, in die Hauptstadt fahren musste.
Es gibt hier in Porto Alegre ein gut ausgebautes, aber für Europäer etwas verwirrendes Bussystem - doch langsam durchschaue ich es:
Jede Strecke kostet den selben Preis, 2.70 Reais, der in der Mitte des Busses beim "cobrador" (Kassierer) bezahlt wird. Schüler und Studenten zahlen nur die Hälfte und sie bekommen eine Chipkarte "TRI", die sie mit Geld aufladen können. Die wird dann einfach beim Einsteigen vor ein kleines Lesegerät gehalten und der Betrag wird abgebucht - ziemlich fortschrittlich, und es spart eine Menge Zeit. Es gibt hier gefühlte 400 unterschiedliche Buslinien und keinen wirkliche Fahrplan, aber trotzdem schaffe ich es inzwischen, allein überall hinzufinden.

chimarrão - immer und überall
In der Stadt ist es sehr laut: ein mörderischer Verkehr, in dem rote Ampeln eher ein Vorschlag sind und Zebrastreifen als Strassendekoration betrachtet werden mischt sich mit der Latinomusik, die aus den Läden schallt, den ständig irgendwo von nah oder fern vernehmbaren Polizeisirenen und den Schreien der Strassenverkäufer, die ihre Waren anpreisen, zu einem wabernden, pulsierenden Rhythmus, der dem Leben in der Stadt seinen Takt gibt. 
Überraschenderweise findet man trotzdem überall in der Stadt Parks und andere grüne Oasen, in denen die Menschen sitzen und das Nationalgetränk Matetee, hier "chimarrão" ( sprich: schimahau) genannt, aus den taditionellen Kalabassen trinken.

Porto Alegre entspricht also überhaupt nicht dem, was man sich in Deutschland so unter dem Begriff "Brasilien" vorstellt. Deshalb wirbt die Stadt auch mit dem Slogan "Lern ein anderes Brasilien kennen!" Bis jetzt zeigt die Kampagne aber noch nicht viel Wirkung, und so bleiben Touristen hier eher die Ausnahme, weshalb wir Ausländer häufig neugierig beäugt werden. Dazu fällt mir ein: wer Porto Alegre neugierig beäugen will, kann das mit diesem Video machen: