Sonnenuntergang in Porto Alegre

Sonnenuntergang in Porto Alegre

(Un)Sinn eines Freiwilligendienstes

Was macht ihr da eigentlich? -  (Un)Sinn eines Freiwilligendienstes

Wenn man von Freiwilligendienst im Ausland spricht, hört man häufig Kommentare wie "Abenteuerurlaub reicher Kinder", "auf eigene Faust Mutter Theresa spielen", "Freizeitmissionare", "Lebenslauf-Tuning" oder "Selbsterfahrungstrip ins Elend".
Jetzt, wo ich in Brasilien bin, kann ich ein bisschen darüber berichten, was so ein Freiwilligendienst wirklich bedeutet und ob das Ganze überhaupt Sinn macht.

Wir sind nicht hier in Brasilien, um die Welt zu retten. Wir können nicht viel machen während unseres Jahres oder zum mindest hört es sich für deutsche Ohren nicht nach viel an: "ein bisschen mit armen Kindern spielen".
Würde das Cesmar auch ohne uns funktionieren?
Ja, das würde es. Natürlich.
Macht das dann einen Unterschied, ob wir da sind oder nicht?
Für die Kinder macht es einen Unterschied. Wir machen nicht viel, aber was wir machen, ist wichtig für die Kinder.

Wir lauschen den Geschichten von Kindern, denen sonst nie jemand zuhört.
Wir bewundern die Bilder von Kindern, die sonst nie jemand lobt.
Wir umarmen Kinder, die sonst nur geschlagen werden.
Wir spielen Fangen mit Kindern, die sonst vor bewaffneten Drogendealern weglaufen.
Wir trocknen die Tränen von Kindern, die sonst niemand tröstet.
Wir interessieren uns für diese Kinder, die dem Grossteil der Gesellschaft egal sind.

Ja, für diese Kinder macht es einen Unterschied, ob wir da sind und das Cesmar unterstützen, den Ort, der ihnen jeden Tag ein paar Stunden normale Kindheit schenkt. Wir Freiwillige sind keine ausgebildeten Lehrer oder Sozialpädagogen. Deswegen könnten wir das hier auch nicht alleine machen, sondern unterstüẗzen die brasilianischen Mitarbeiter nur, wo wir können. Im Gegensatz zu den anderen Mitarbeitern müssen wir uns aber nicht mit Bürokratie und Papierkram, Lehrplänen und Finanzen herumschlagen, wir sind NUR für die Kinder da und spielen in den Pausen mit ihnen, wenn die Educadores mal eine wohlverdiente Auszeit brauchen.

Wenn wir das Cesmar abends verlassen und mit dem Bus aus Rubem Berta hinausfahren, endet unser Freiwilligendienst nicht am Tor des Projektes. Wir nehmen unsere Erlebnisse und Emotionen mit, berichten euch in Deutschland und auch unseren Gastfamilien, brasilianischen Freunden oder den Leuten im Sprachkurs davon. So zieht die Idee vom Freiwilliendienst immer weitere Kreise, Projekte wie das Cesmar werden bekannt.
Wir werden zu Botschaftern zwischen den Welten: Nicht nur zwischen Deutschland und Brasilien, sondern auch zwischen den sozialen Klassen in unserem Gastland, die zwar Seite an Seite, aber häufig getrennt durch Vorurteile nebeneinander leben. Wir sehen in den Kindern in Rubem Berta nicht nur Leute, von denen man sich in ein paar Jahren nachts besser fern halten sollte, weil man überfallen werden könnte, sondern wir sehen, was aus diesen Kindern alles werden könnte, wenn man ihnen die Chance gibt. Diesen Blickwinkel öffnen wir auch den andern Brasilianern, mit denen wir reden und können vielleicht hier oder da mit einem Vorurteil aufräumen.

Wir Freiwillige sind hier in Brasilien, weil wir Träume haben.
Vielleicht lernt Marcio im Cesmar Werte wie Respekt und Zuverlässigkeit und bekomt deshalb nachher einen gut bezahlten Job.
Vielleicht tankt Manuela im Theaterkurs genug Selbstbewusstsein und trennt sich von ihrem gewalttätigen Freund.
Vielleicht lernt Felipe im Cesmar, wie man Regeln liebevoll durchsetzt und schlägt seine Kinder später nicht.
Vielleicht wird João vom Beispiel eines Lehrers inspiriert und hält sich von den Drogen fern.
Vielleicht beiben das alles Träume.
Aber allein die Tatsache, dass sie wahr werden KÖNNTEN und ich dabei helfen KÖNNTE, ist Grund genug für mich, hier zu sein.