Sonnenuntergang in Porto Alegre

Sonnenuntergang in Porto Alegre

Berichte für weltwärts


1.     Zwischenbericht nach 3 Monaten
Franziska Englert, Cesmar, Porto Alegre, Brasilien


Mein Name ist Franziska Englert, ich bin 20 Jahre alt und leiste seit 3 Monaten einen Freiwilligendienst in Porto Alegre, Südbrasilien – 3 Monate voller Abenteuer, kleiner Erfolge, grosser Rückschläge und kunterbunten, kulturellen Überraschungen.

Ich arbeite in dem Projekt Centro Social Marista, kurz Cesmar, im Viertel Rubem Berta in Porto Alegre. Rubem Berta ist eins von diesen Vierteln, die man wahrscheinlich als “Favela” bezeichnen würde und in dem  ein Teufelskreis aus Arbeitslosigkeit, Armut, Perspektivlosigkeit, Kriminaltität  und Gewalt herrscht. Das Cesmar bemüht sich, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Die Kinder zwischen 5 und 15 aus dem Viertel kommen entweder vor oder nach der Schule ins Projekt, um dort ihre Freizeit zu verbringen.  In Brasilien haben die Kinder entweder vor- oder nachmittags Schule und wenn sie keinen Untericht haben, kommen sie ins Cesmar.
Das Cesmar bemüht sich, die intellektuelle, motorische und kreative Entwicklung der Kinder zu fördern, von denen die meisten zuhause vernachlässigt oder misshandelt werden. Es gibt sowohl in der Morgens- auch in der Nachmittagsschicht 9 Turmas (Klassen), die nach Alter aufgeteilt sind. Die educadores (Lehrer) führen mit ihren Turmas verschiedene Aktivitäten durch:  singen, basteln, das Alfabeth und die Zahlen üben, malen, tanzen, Geschichten vorlesen und natürlich wird auch jede Menge gespielt! Mittwochs ist “oficina”-Tag, an dem die Kinder zwischen verschiedenen Workshops denjenigen auswählen, der ihnen am besten gewählt: Capoeira, Theater, Kunst, Chor, Hip-Hop, traditionelle Gaúcho-Tänze, Percussion und Tanzen.
Neben Spiel, Spass und Lernen bekommen die Kinder im Cesmar auch Frühstück bzw. einen Nachmittagskaffee und darüber hinaus stehen ihnen die Dienste einer Psychologin, der Krankenstation und einer Zahnärztin zur Verfügung.
Das Cesmar ist ein riesiges Projekt, das neben dem von mir beschriebenen SASE (serviçio de apoio socio-educativo), welches je ca. 300 Kinder morgens und nachmittags umfasst, noch Kurse für Jugendliche anbietet, unter anderem Gärtnerei, Ernährung und Informatik.
Ich arbeite hauptsächlich im SASE. Ich habe einen festen Stundenplan und somit “meine” Turmas, für die ich jede Woche Aktivitäten, Aufgaben oder Spiele vorbereiten muss. Je nach dem Alter der Turmas umfassen diese Aktivitäten gruppendynamische Spiele, Schreibaufgaben, Bastelarbeiten oder Reflexionen. Mit der Turma M8, den ältesten, führe ich z.b. gerade das Projekt “Mein Leben und ich” durch, in dem wir jede Woche Themen wie “Identität”, “Träume und Wünsche”, “Glaube”, “Ich und die anderen” oder “Zukunft” in Form von Workshops bearbeiten. In manchen Turmen unterrichte ich allein, in anderen bin ich zur Unterstütztung eines weiteren educadorens und führe den Unterricht mit seiner Hilfe durch. Beim oficina-Tag arbeite ich mit der Tanz- und der Theatergruppe. Häufig teilen wir die Gruppen auf, weil sie so gross sind und ich studiere mit einem Teil der Gruppe in einem anderen Raum etwas für unsere Aufführung ein, während die educadoren mit dem anderen Teil arbeiten.Der Tanz- und Theaterunterricht ist die Aufgabe, die mir am meisten Spass macht, weil die Kinder, die diese oficina gewählt haben, wirklich motiviert sind, etwas zu lernen. Abgesehen von meinen Turmas arbeite ich noch einmal wöchentlich mit der Seniorengruppe. In den letzten Wochen habe ich mit dieser Gruppe die Weihnachtskrippe für das Cesmar aus Recyclingmaterialien gebastelt und in kürze werde ich beginnen, mit ihnen ein Theaterstück einzustudieren. Einen vormittag helfe ich noch in der Bibilothek des Cesmars. Ich habe damit begonnen, die vorhandenen Bücher zu ettiketieren und im Computer zu registrieren, sodass das Ausleihverfahren vereinfacht wird.
Ich habe mich vom ersten Tag an sehr wohl im Cesmar gefühlt. Wir Freiwilligen (neben mir arbeiten noch zwei weitere Deutsche im Cesmar) wurde herzlich empfangen und gut in die Arbeit eingeführt. Die ersten 3 Wochen haben wir den Tagesablauf im Cesmar beobachtet und danach sollten wir schon unsere eignen Turmas übernehmen.  Das ging zwar alles sehr schnell, aber ich bin dadurch auch rasch in die Aufgabe hineingewachsen und habe mich im Projekt nie nutzlos oder überflüssig gefühlt. Wenn wir Probleme oder Fragen haben, können wir unseren Chef jederzeit ansprechen, aber bis jezt mussten wir diese Möglichkeit noch kaum in Anspruch nehmen.
Die Arbeit im Cesmar gefällt mir sehr gut, aber sie ist auch sehr anstregend. Ich hatte es mir zugegebenermassen einfacher vorgestellt, mit den Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, da ich in Deutschland schon Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt hatte. Ich hatte dabei unterschätzt, dass ich hier mit Kindern arbeite, die eine ganz andere Realität leben und ganz andere Geschichten haben. Viele der Kinder sind traumatisiert, sehr gewaltbereit, häufig respektlos und brauchen sehr, sehr viel Aufmerksamkeit. Anfangs wusste ich nicht genau, wie ich mit Konfliktsituationen umgehen soll, da auf jedes Kind sehr persönlich eingegangen werden muss. Inzwischen ist das viel einfacher geworden: Ich spreche besser portugieisch, kenne die Kinder und fühle mich nur noch selten überfordert.
Ich arbeite sehr gern im Cesmar und halte es für ein ganz tolles Projekt. Trotz der zum Grossteil schwierigen Kinder, trotz der begrenzten finanziellen Mitteln und der schwierigen Lage ist das Cesmar sehr gut organisiert und strukturiert. Im Kontakt mit den Kindern spürt man, welche Bedeutung das Zentrum für sie hat: “Das Cesmar ist praktisch mein Zuhause” hört man nicht selten von den Kleinen. Dieses Projekt zu unterstützen, wenn auch mit kleinen Handgriffen, ist ein wunderbares Gefühl, den für viele Kinder es ist die einzige Oase in der düsteren Favela.

Ich fühle mich hier in Brasilien sehr wohl, obwohl vieles anders ist, als erwartet. Porto Alegre und der ganze Süden des Landes haben nicht viel mit dem Klischee “Samba, Rio, Zuckerhut” zu tun. Wenn ein Klischee auf diese Region zutrifft, dann eher “Pampa, Gauchos, Matetee”, was ich eher mit Argentinien verbunden hätte. Ich habe mich hier sehr schnell eingelebt, weil ich sehr nett aufgenommen wurde, von meiner Gastfamilie, dem Partnerkomitee ABIC, den Kollegen und vor allem den Kindern. Einen echten Kulturschock hatte ich bis jetzt noch nicht, was aber auch daran liegen kann, dass ich schon einmal einen Austausch in Lateinamerika gemacht habe. Aber natürlich verwundert mich noch immer einiges: die Unmengen an Fleisch, die hier im Süden Brasiliens verzehrt werden zu Beispiel; das Ritual des “chimarrãos”, des bitteren, heissen Matetees, bei dem die Kalabasse im Kreis herumgegeben wird; die unglaubliche Gastfreundschaft, sodass man bei Fremden ständing auf ein “churrasco” (Unmengen von Fleisch) oder eben chimarrão eingeladen wird;  dass fast immer überall Mausik läuft und Brasilianer dabei kaum still stehen können; die Fussballbegeisterung, bei der mein Kommentar “Ich steh nicht so auf Fussball” nicht Antwort akzeptiert wird, wenn es um Lieblingsteams geht oder die Temperaturen, die in Porto Alegre im Winter schon mal auf bescheidene 3 Grad fallen (ohne Heizung!) und im Sommer auf über 40 Grad steiegn sollen (ohne Aircondition!) Auf all das war ich zwar nicht vorbereitet, aber da ich mir eh fast keine Vorstellungen gemacht hatte, war ich auf Überraschungen eingestellt!

Was mich jedoch schockiert hat und is heute jeden Tag schockiert ist die Lebensrealität in der Favela, in der ich arbeite. Das meiste sehe ich nicht mit eigenen Augen, sondern höre es von den Kindern, die von ihrem Alltag erzählen: Geschichten von Drogenhandel, Schiessereien, Vergewaltigung, Hunger, Armut, Prostitution, Mord, Überfällen und Gewalt. Obwohl ich auch vor meinem Austausch wusste, dass es in manchen Teilen der Welt so zugeht, ist es etwas anderes, das jeden Tag zu erleben. Darauf wurde ich in Deutschland nicht vorbereitet und manchmal fällt es mir schwer, abends nach Hause zu gehen und die Geschichten der Kinder zu vergessen, das Elend nicht mit heim zu nehmen. Deshalb habe ich es mir zu festen Regel gemacht, mein Projekt-T-Shirt, mein Schutzschild, damit ich mich in der Favela bewegen kann, direkt auszuziehen, wenn ich nach Hause komme. So versuche ich, die furchtbaren Geschichten nicht mit in meine Freizeit hineinzunehmen, denn wenn ich diese Dinge zu nah an mich ranlasse, gehe ich daran kaputt.
Auch die nächsten 9 Monate werden wahrscheinlich spannend, überaschend, manchmal traurig und meistens schön werden und ich kann es kaum erwarten!!




Zwischenbericht nach 6 Monten
Ein Sprung ins kalte Wasser
Franziska Englert, Porto Alegre, Brasilien, Projekt Cesmar

Rein ins Abenteuer!!

Als ich vor 6 Monaten in mein Auslandsjahr aufbrach, hatte ich keine Ahnung, was mich am anderen Ende der Welt erwarten würde. “Freiwilligendienst in Brasilien”, das war das grosse Abenteuer, in das ich mich stürzte.                                                                                            
Der Aufbruch in den Freiwilligendienst ist wie der Sprung vom 3-Meter-Brett:
Todesmutig fast man den Entschluss und obwohl manche Freunde oder Familienmitglieder warnen und überall Gefahren wittern, ist man wild entschlossen. Der Weg auf das Brett ist steil und beschwerlich:  Impfungen, Visa-Probleme bei der Botschaft, mühsam allein ein paar Brocken der Fremdsprache erlernen und dann der Abschied… Aber irgendwann steht man oben, am Rande des Sprungbrettes, bzw. am Flughafen. Jetzt gibt es kein Zurück mehr, denn selbst wenn man jetzt zweifelt – nachdem man den beschwerlichen Weg hinaufgeklettert ist, kann man nicht unverrichteter Dinge wieder heruntersteigen. Also, Augen zu, nocheinmal tief durchatmen und dann: SPRINGEN!!
Genau wie beim Sprungbrett kann man statt einem sauberen Kopfsprung auch einen fiesen Bauchklatscher landen und erstmal auf dem falschen Fuss mit dem Gastland anfangen. Selbst wenn man habwegs galant im Wasser ankommt, sind die ersten Monate des Austauschs ähnlich wie beim Sprung vom 3-Meter-Brett. Verdammt, das Wasser ist doch kälter, als es aussah. Hätte ich mal lieber den anderen Bikini angezogen. Und das Schwimmen ist auch ganz schön anstregend…                                                                           Bzw:                                                                                                                                           
Oh Mann, Brasilien ist ja doch anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Hätte ich den Koffer mal anders gepackt und mich besser vorbereitet. Und die Arbeit ist auch ganz schön anstregend… Aber: Das Geheimnis ist, genau wie bei kaltem Wasser, nicht aufzugeben, immer weiter zu schwimmen, sich zu bewegen, sich aufzuwärmen. Nach einer gewissen Zeit gewöhnt man sich dran und irgendwann fühlt man sich – wie ein Fisch im Wasser.
Wenn ich mein Tagebuch der erste Wochen zur Hand nehme, muss ich lachen. Da ist die Rede von “die Stadt”, “das Projekt”, “die Gastfamilie”. Inzwischen ist das Porto Algre, Cesmar und mãe, pai, Felipe und Mauricio. “Meine Adresse” wurde zu meinem Zuhause und “die Arbeit” wurde zu dem, was man auf Deutsch “Beruf” nennt, weil es von dem kitschigen, aber wunderschönen Wort “Berufung” kommt.  All das passierte in 6 Monaten, quasi im Zeitraffer. Machmal kann ich das selber kaum glauben.
Auch bei der Arbeit im Projekt wurde ich ganz schön ins kalte Wasser  geworfen.                           Nach wenigen Wochen habe ich meine eigenen Turmen übernommen, obwohl ich weder pädagogisch ausgebildet noch sonderlich erfahren war. Aber da stand ich dann, in einem spärlich ausgerüsteten Raum, mit 25 nicht ganz so einfachen  Kindern und eher unzureichenenden Portugiesischkenntnissen. Das war die ersten Tage gar nicht so einfach und ich stand häufig am Rande des Nervezusammenbruches. Aber: vielleicht ist geschubst werden wirklich die beste Art, um schwimmen zu lernen. Nach 6 Monaten läuft meine Arbeit  im Projekt Cesmar  wunderbar und macht mir immernoch unglaublich viel Spass. Je länger ich im Projekt arbeite, desto besser kenne ich die Routine und die Regeln und vorallem auch die Kinder und ihre Geschichten. Das macht den Arbeitsalltag für mich deutlich leichter da ich immer mehr merke, wie die Kinder mich inzwischen mehr respektieren und kaum noch Situationen ausser Kontrolle geraten. Inzwischen betrachte ich meine Rolle im Projekt etwas anders als noch am Anfang. In den ersten Monaten fühlte ich mich eher wie eine Freundin der Kinder, die mit ihnen spielt, singt und tanzt, sie in den Arm nimmt und ihnen zuhört und ihnen ein paar Stunden normaler Kindheit ermöglicht. Je länger ich im Cesmar arbeite, desto mehr verstehe ich mich as “Erzieherin”, die den Kindern hilft, Grundregeln des Zusammenlebens zu erlernen, die die meisten zu Hause nicht vorgelebt bekommen. Ich konzentriere mich jetzt also nicht mehr darauf, möglichst viele Kinderlachen pro Tag zu sammeln. Inzwischen bin ich deutlich strenger, sage immer wieder “Lass das, hör damit auch, entschuldige dich, so benimmt man sich nicht”, sammle Spielzeuge ein oder schicke Kinder vom Spielplatz.  Seitdem ich diese Dinge mache, habe ich meine Stellung als “Lieblingslehrerin” verloren und bekomme häufiger zu hören “Sora, du bist echt doof!” aber ich fühle mich viel nützlicher im Projekt. Immer mehr wird mir bewusst, dass das Cesmar die Kinder nicht nur bespassen, sondern erziehen will. Denn ohne Grundregeln wie Respekt, Zuverlässlichkeit und gewaltfreie Konfliktlösung zu erlernen, haben diese Kinder nie eine Chance, die Schule abzuschliessen, geschweigedenn einen ordentlichen Beruf zu ergreifen.  Ich habe mir deshalb vorgenommen, im nächste Halbjahr mehr mit den Kleinsten, zwischen 6 und 8 zu arbeiten, da bei dieser Altergruppe die meiste “Grunderziehung” erforderlich ist. In diesem Bereich fühle ich mich momentan am nützlichsten. Ausserdem werde ich meine Tanzgruppe weiterführen und weiterhin in der Bibliothek aushelfen.
Die grösster Herausforderung ist nach wie vor, mit dem Elend umzugehen, mit dem ich ständig konfrontiert werde und mich in die Situation der Kinder zu versetzen. Owohl ich jeden Tag sehe und höre, unter was für Umständen die Kinder leben, vergesse ich manchmal, dass das der Grund für ihr Verhalten ist. Dann schimpfe ich mit einem Jungen, der agressiv ist und sich weigert, bei den Aktivitäten mitzumachen, bis er anfängt zu weinen und erklärt, sein Vater habe seine Mutter gestern fast totgeschlagen. In solchen Momenten merke ich, dass ich lernen muss, die Welt noch mehr mit den Augen den Kinder zu sehen, um sie zu verstehen und somit besser erziehen zu können.
Mit meinen Kollegen verstehe ich mich sehr gut und ich fühle mich im Projekt sehr wohl. Unsere Kontaktperson ist für jegliche Probleme ansprechbar, wobei ich diese Hilfe bis jetzt noch nicht annehmen musste. Das einzige Problem ist nach wie vor, dass die Arbeit körperlich und emotional extrem anstregend ist. Jeden Tag 8 Stunden mit KIndern zu arbeiten, rennen, springen, reden, schreien, die gleichen Sachen ständing wiederholen, von konstantem Lärm umgeben, treibt mich an meine körperlichen Grenzen. Die Dauererschöpfung und auch die Tatsache, dass die meisten Kinder krank sind führen dazu, dass ich seit meiner Ankunft hier in Brasilien ständig an Infektionskrankheiten und Magen-Darm-Beschwerden leide. Wenn ich abends um 18.30 Uhr nach Hause komme, fehlt mir meist die Kraft und Energie, nochmal das Haus zu verlassen um etwas zu unternehmen. Auch am Wochenende will ich mich häufig lieber einfach nur entspannen und Kraft tanken, statt auszugehen oder Ausflüge zu machen. Das führt natürlich dazu, dass ich leider nur relativ wenig brasilianische Freunde habe und nicht so viel unternehme. Ich wüsste aber einfach nicht, wann! Erschwerend kommt noch hinzu, dass es in Brasilien für ein Mädchen abends relativ gefährlich ist und Taxis, die ich zum nachhause kommen nehmen müsste, extreme teuer sind.  Auf Grund dieser Tatsachen besteht mein Alltag hauptsächlich aus Arbeit und Zeit mit der Gastfamilie verbringen. Meine Familie ist wirklich wunderbar und ich fühle mich hier inzwischen richtig zuhause. Besonders zu meinen beiden Gastbrüdern habe ich ein tolles Verhältnis und ich habe mich an all ihre kleinen Macken so gewöhnt, dass ich mir manchmal kaum noch vorstellen kann, irgendwann ohne die beiden zu leben. Ich verbringe auch sehr gerne Zeit mit der “grossen Familie”, den Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen, die häufig Sonntags zum Grillen kommen. Um noch ein paar mehr Leute nebem meiner Gastfamilie kennenzulernen, mache ich seit ein paar Wochen einen Tanzkurs, ein erster Schritt in Richtung “mehr Freizeit”. Ich würde in de nächsten 6 Monaten gern noch mehr neben der Arbeit unternehmen, aber ich befürchte, das wird sehr schwierig.
Die kleinen und grossen Altagsherausforderungen des Anfangs sind inzwischen alle verschwunden: Ich habe keine Probleme mehr mit dem Portugiesisch, kann inzwischen alleine in den Urlaub fahren und Überweisungen machen und kenne die Buslininen Porto Alegres besser als meine Brüder. Es hat sich also Alltag eingestellt und der Hauch von Abenteuer, der Anfangs noch an jedem Tag haftete, ist verschwunden. Andererseits: wenn man die Lichtschalter im Dunkeln findet; ohne Stadtplan aus dem Haus gehen kann; weiss, wo die Teller nach dem abtrocknen hingehören; den Weg zu Arbeit blind findet und sich über die kulturellen Eigenarten nicht mehr wundert – dann ist man zuhause. Dann hat man sich richtig eingelebt im neuen Zuhause. Manchmal sage die Leute mir “Bah guria, tu parece gaúcha mesma”, in etwa “Hossa, du könnest glatt als Südbrasilianerin durchgehen”  und dann wird mir immer wieder klar, dass ich mich hier auch nicht mehr fremd oder als Tourist fühle – sondern wie ein Fisch im Wasser. Der aufregende Sprung die schwierigen ersten Momente liege hinter mir. Was mich in den nächsten 6 Monaten erwartet, weiss ich nicht – aber das ein oder adere Abenteuer, die ein oder andere Herausforderung wird dabei sein. Und an die Rückfahrt mag ich noch gar nicht denken. Zu glücklich bin ich hier.