Sonnenuntergang in Porto Alegre

Sonnenuntergang in Porto Alegre

Mittwoch, 6. Juli 2011

Von bitterer Kälte und menschlicher Wärme - Kleine Hand sucht warmen Handschuh


Kleine Hand sucht warmen Handschuh!


Die schlimmste Kältewelle der letzten 50 Jahren hält seit einigen Wochen den Süden Brasiliens in Atem.
So manch einer mag es vielleicht nicht glauben, wenn ich sage, dass ich hier friere, deshalb will ich einige Zeitungsartikel zitieren:

"Eine Masse polarer Kaltluft hat erneut eine eisige Decke über den Süden in Brasilien gelegt. In der Nacht zum Mittwoch wurden besonders in den Höhenlagen Temperaturen unter dem Gefrierpunkt registriert, stellenweise fiel sogar Schnee (...) Winterliche Temperaturen wurden am Mittwochmorgen auch in Porto Alegre mit kühlen 3 Grad gemessen"
Quelle: http://brasilienmagazin.net

"Südamerika erlebt derzeit den kältesten Winter seit Jahren. Auf Grund der extremen Temperaturen sind in sieben südamerikanischen Ländern bereits 175 Menschen ums Leben gekommen. (...) Dabei trifft es in allen Ländern die Ärmsten am härtesten. In ihren einfachen Behausungen sind sie nur unzureichend gegen die Kälte geschützt. Oft haben sie dort nicht einmal eine Heizung. Zudem ist das Gesundheitssystem marode und die Versorgung mit Medikamenten nicht gewährleistet. (...) In Brasilien und Paraguay sind mittlerweile mehrere Tausend Rinder auf den Weiden erfroren. Da es dort im Winter normalerweise nicht kalt wird, gibt es keine Ställe, in die sich die Rinder vor der Kälte flüchten könnten."
Quelle: http://www.dw-world.de

Auch wenn ich als Deutsche ja eigentlich an Kälte gewohnt sein sollte, treiben mich die eisigen Temperaturen an meine Granzen. Dafür ist einerseits der eisige Arktiswind "minuano" verantwortlich und andererseits die Tatsache, dass die Häuser hier über keinerlei Isolierung verfügen. Es gibt keine Heizung und der Wind pfeift durch die schlecht isolierten Fenster und Türen überall herein, so dass auch im Haus seit Wochen Temperaturen um 11 Grad herrschen. Das führt dazu, dass man sich eigentlich nie aufwärmt und konstant friert.
Bei der Arbeit trage ich seit einigen Wochen den folgenden "Mehrschicht-Look":
Strumpfhose, Jeans, 2 Paar Socken, Stiefel, Unterhemd, 2 Langarm-Shirts, Projekt-T-Shirt, Kapuzenpulli, Fleecejacke, Tuch, Schal und Handschuhe - und trotzdem friere ich.

Ganz besonders schwer trifft es aber - wie der Zeitungsbericht schon sagt - die Armen. Die Wellblech- Papp- und Holzhütten verfügen natürlich über keine Heizungen, der Wind kommt wirklich überall herein und meistens haben die Familien nicht mal mehr Decken, Kleidung oder Schuhe, um sich gegen die Kälte zu schützen. Seit Wochen stopfen die Familien notdürftig alle Ritzen der Häuser mit Lumpen zu und zünden Feuer vor den Häusern an - ein verzweifelter und gefährlicher Versuch, sich irgendwie aufzuwärmen.

Heute zupfte Lucas, 7 Jahre, an meinem Ärmel und flüsterte verzweifelt "Sora, schenk mir bitte Handschuhe, die Kälte tut so weh". Er ist nicht der einzige, der bitterlich frierend ins Cesmar kommt: Die meisten Kinder tragen neben den Cesmar-T-Shirts nur dünne Jäckchen, manche kommen in Flipflops oder kurze Hosen. Einige Kinder sind so durchgefroren, dass sie den ganzen Tag nicht aufhören zu zittern, andere weinen vor Kälte.
Trotz dieses Elends und der bitteren Kälte finde ich jeden Tag aber auch Funken menschlicher Wärme im Cesmar: Kinder, die mit 2 Jacke kommen, leihen eine davon ihrem Mitschüler, der gar keine hat und meine Kollegin Gorete versprach Lucas, im morgen Handschuhe mitzubringen: "Ich habe schliesslich 2 Paar, dieses und noch ein Paar zu Hause". Meine Kollegin betrachtet 2 Paar als Überfluss und zögert keine Sekunde, ein Paar davon zu verschenken. Beeindruckende Menschen und Gesten wie diese öffnen mir häufig meine an Überfluss und Wohlstandsgesellschaft gewöhnten Augen.
Beim Aufräumen des Kleiderschranks fand ich abends 3 Paar Schuhe, 1 Hose, 2 Jacken, 2 Pullis und ein T-Shirt, die von der Arbeit und vom vielen Waschen ausgeleiert sind und die ich wahrscheinlich nur noch zur Gartenarbeit anziehen würde - wenn ich sie spende, werden sie jemanden wärmen und vielleicht die ein oder andere Grippe und Lungenerzündung verhindern, statt in meinem Schrank zu vergammeln.

Obwohl sich die Spendenaufrufe für Katastrophen und Notlagen weltweit auf unseren Schreibtischen und in unseren Postfächern häufen, liegt mir dieser ganz besonders am Herzen:

Wer zwei, fünf oder vielleicht zehn Euro entbehren kann, hilft damit, Handschuhe, Socken oder Decken zu kaufen, die kleine Händchen und Füsschen in Rubem Berta vor der eisige Kälte schützen. Für jede Spende wäre ich und vor allem Lucas, Kemile, Savio, João und all die anderen Kinder, die seit Wochen frieren, sehr dankbar.
Jede Spende, wenn auch noch so klein, hilft den Kindern, die eisige Kälte zu überstehen.
Für nähere Informationen bitte mit mir in Kontakt treten: franzie737@yahoo.de


Lucas wünscht sich Handschuhe.

Tais und Vivian tragen auf diesem Foto schon Kleiderspenden, doch sie frieren immernoch.

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