Sonnenuntergang in Porto Alegre

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Sonntag, 15. Mai 2011

Muttertag in Rubem Berta

Kleine Geschenke für grosse Kämpferinnen

Genauso wie in Deutschland schneiden auch in Brasilien die Kinder kurz vor dem Muttertag rote Moosgummiherzen aus und schreiben mit krakeliger Schrift “Ich hab dich lieb” auf selbstgebastelte Karten. Im Cesmar, in dem ich seit inzwischen knapp 8 Monaten Freiwilligendienst leiste, hat dieser Tag aber noch eine ganz andere Bedeutung für die Kinder und die Mütter der Favela.

“Sora Franziska, ich habe aber gar keine Mutter” flüstert Yruan, als ich ihn auffordere, ein Bild für seine Mama zu malen. Nicht das erste Mal, dass ich diesen Satz in den letzten Woche höre, und wie immer antworte ich darauf genauso wie meine Kollegen “Wer kocht dir Tee, wenn du krank bist; wer tröstet dich, wenn du hinfällst; wer achtet darauf, dass du einen Schirm mitnimmst, wenn es regnet? Diese Person nimmt die Rolle deiner Mama ein, auch wenn sie vielleicht nicht deine Mutter ist “. Yruan überlegt kurz, antwortet dann “Meine Schwester Yasmin!” und beginnt begeisert, ein grosses Herz für sie zu malen. Wie Yruan werden viele Kinder, die das Cesmar besuchen, nicht von ihren leiblichen Müttern aufgezogen, sondern von Grossmüttern, grossen Schwestern, Tanten, Stiefmüttern, Cousinen oder Nachbarinnen. Viele der Mütter sind verstorben, im Gefängnis, waren mit der Erziehung überfordert oder sind eines Tages einfach verschwunden und so nahm eine andere weibliche Person die Mutterrolle ein und versucht, diese grosse Aufgabe so gut wie möglich zu erfüllen. Eine Mutter in der Favela zu sein, ist eine Herausforderung: in einer Umgebung, die von Gewalt, Drogen und Kriminalität dominiert wird, ist es nicht leicht, ein glückliches, verantwortungsbewusstes Kind aufzuziehen, das nicht auf die schiefe Bahn gerät. Meistens sind die Mütter dabei auch noch auf sich allein gestellt, denn Väter gibt es selten in den Favelafamilien und so müssen die Mütter den Lebensunterhalt verdienen, den Haushalt organiseiren und sich um die Kinder kümmern. Im Gottesdienst, das das Cesmar für sie vorbereitet hat, werden sie deshalb zu recht als “Kriegerinnen”, “Kämpferinnen” und “Löwenmütter” bezeichnet. Um diese ganz besondere Mütter zu ehren, basteln und werkeln wir schon seit Wochen mit den KIndern an Überraschungen, die am Muttertag überreicht werden sollen: ausrangierte Patientenmappen einer Zahnklinik werden so von fleissigen Händen in “Beste-Mutter-der-Welt-Ehrenmappen” verwandelt, in der Kunstwerke, Gedichte und Fotos Platz finden; eine riesige Stellwand im Eingangsbereich zeigt die verschiedenen Facetten des “Mutter seins”. In Gruppenarbeiten mit den Kindern erarbeiten wir, wie wichtig unsere Mama für unser Leben ist, was wir ihr alles verdanken und betonen, dass die Kinder bei Differenzen nicht von zuhause weglaufen sollen – ein Leben auf der Strasse führt fast unwillkürlich in die Kriminalität und Drogenabhängigkeit. Der Muttertag im Cesmar ist also mehr als nur eine eine kleine Karte basteln: es ist die Ehrung starker Frauen, die jeden Tag für die Zukunft ihrer Kinder kämpfen und die wichtige Nachricht für die Kinder: Du bist nicht allein in der Welt, selbst wenn du ohne deine Mutter aufwächst. Deshalb kann ich die Frage “Bastelst du auch ein Herz für deine Mutter?”, die in den letzten Tagen immer wieder aufkam, ohne Zweifel beantworten: “Ich bastele 2 Herzen. Für meine Mutter in Deutschland und meine Gastmutter. Denn momentan kocht sie Salbeitee für mich, wenn ich Halsschmerzen habe und deshalb auch meine Mama.”


Mãe é quem cuida, mãe é quem cria, mãe é quem ama

Muter ist, wer sich kümmert; Mutter ist, wer aufzieht; Mutter ist, wer liebt.

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