Sonnenuntergang in Porto Alegre

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Donnerstag, 7. Oktober 2010

"Semana das crianças" im Cesmar


Schon wieder stand im Cesmar eine "Sonderwoche" an, diesmal die Semana das crianças, die Kinderwoche.
Da könnte man langsam denken: Mensch, wann ist denn da in diesem Projekt mal normaler Alltag?
Die Antwort lautete: Ziemlich selten, und das ist auch so beabsichtigt. Das Cesmar ist keine Schule und hat daher keinen festen Lehrplan oder andere Vorgaben, die erfüllt werden müssen.
Die Kinder sollen vorallem deshalb in das Projekt kommen, um von der Strasse weggeholt zu werden, um ihre Freizeit sinnvoll zu verbringen, mit tanzen, singen, spielen oder basteln und um Dinge zu erfahren und zu lernen, die in ihrem Alltag leider häufig zu kurz kommen: Liebe, Zuneigung, Respekt, Höflichkeit, Zuverlässigkeit und Beständigkeit.
Deshalb versuchen die Mitarbeiter immer aufs Neue, den Kindern irgendeine spannende Beschäftigung zu bieten; ein Spiel, dass sie noch nicht kennen, einen Tanz, den sie noch nie gesehen haben, ein neues Lied singen oder eben diese Sonderwochen, in denen alles etwas anders abläuft.

Die Semana das crianças war vollkommen den Kindern gewidmet und die Lehrer liessen sich unglaublich viel einfallen, was mit einfachen Mitteln und viel Improvisation umgesetzt wurde.
Statt sich wie normalerweise in Turmas aufzuteilen, blieben die Kinder die ganze Woche über jeden Tag zusammen in der Turnhalle und es gab verschiedene Aufführungen. Jede Oficina zeigte den anderen Kindern, was sie in den lezten Wochen einstudiert hatte: der Chor, die Hip-Hop-Gruppe, die Capoeiras, die Percussion-Band, die Gaúcho-Tanz-Gruppe und die Theater- und Tanzgruppe, die ich in den letzten Wochen betreut habe mit dem Stück "ser feliz está en nossas mãos" (Glücklich sein liegt in unseren Händen).
Neben den artistischen Auftritten gab es eine "direktionierte Pause", in der jeder Lehrer etwas anderes anbot: von 11-Meterschiessen über Ponyreiten und Hindernislauf bis hin zu Dosenwerfen, Stelzenlaufen und Tischkickern war alles dabei, was das Kinderherz begehrt.
Ich wurde kurzerhand dem Kinderschminken zugeordnet, bei dem am meisten helfenden Hände gbraucht wurden und wie so häufig war "ich hab da gar kein Talent für" keine Ausrede.
Den Kindern war es aber auch egal, ob der Schmetterling ein bisschen schief geriet oder ob ein Leopard eigentlich eine andere Musterung hat.
Der "lanche", der Imbiss der Kinder war diese Woche auch ein besonderer, statt wie sonst meistens belegte Brote gab es Kuchen, Pizza, Würstchen im Schlafrock oder Hotdogs.
Das grösste Highlight der Woche war aber für die Kids der Ausflug in den Zoo. Schon seit Wochen redeten die Kleinen kaum von etwas anderem und morgens waren sie so aufgeregt, dass sich die Abfahrt um eine Stunde verzögerte, weil es vor lauter Gezappel und Gerenne unmöglich war, die Liste durchzugehen und jedem ein Namensschild anzupinnen.


Neben Spiel, Spass, Tanz und Gesang hatte die Woche aber auch ihre ernste Seite: Ein grosses Plakat erinnerte an die Kinderrechte, die leider für viele der Kinder im Cesmar weit entfernte Träume sind. Nicht alle von ihnen wachsen ohne Hunger, ohne Gewalt, ohne Kinderarbeit und ohne Missbrauch auf, nicht alle haben den Zugang zu Bildung und ärztlicher Versorgung.
Ein anderes Plakat mit dem Titel "Kind sein ist...." lud die Kinder ein, ihre Gedanken aufzuschreiben. Da standen Dinge wie
"glauben, dass alles im Leben möglich ist",
"Freunde machen, bevor man überhaupt den Namen des anderen kennt",
"rennen, spielen, springen"
"jeden Abend denken >das war der schönste Tag meines Lebens<" oder "etwas ganz besonderes" So sollte Kindheit sein, aber leider ist das häufig nicht der Fall. Wie wenig unbeschwerte Kindheit viele der Kleinen haben, wurde diese Woche besonders deutlich. Ich war überrascht davon, mit was für Kleinigkeiten man den Kindern im Cesmar eine riesige Freude machen kann: auf der Bühne ein Lied singen und danach hören "Wow, das hast du aber toll gemacht"; ein Stück Schokoladenkuchen; eine Busfahrt in eine andere Stadt; einmal einen Elefante sehen; jemanden, der hinsieht, wenn man "Guck mal!" ruft; im Bus auf dem Schoss eines Lehrers schlafen, der einem über die Haare streicht; ein bisschen rosa Farbe im Gesicht, die die Narben verdeckt und einen in einen Schmetterling verwandelt.
Die semana das crianças war mal wieder eine Sonderwoche, die uns Lehrer jede Menge Nerven gekostet hat (insebsondere der Ausflug in den Zoo!) aber es gibt wohl kaum einen schönen Lohn für seine Mühen als ein Kind, das dich zum Abschied umarmt und sagt: "Ich kann´s kaum erwarten, morgen wieder ins Cesmar zu kommen".

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