Sonnenuntergang in Porto Alegre

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Dienstag, 2. August 2011

Don´t be a GRINGO - Ein Hoch auf das Suitcasing!




"Don´t be a GRINGO" - so lautet der Aufkleber, der in einem Hostel in Rio am Kühlschrank hing.
"Gringo" ist hier in Lateinamerika ein abfälliger Name für Toursiten, insbesondere Nordamerikaner, die am liebsten reisen, um in fremden Ländern genau das zu suchen, was sie von zuhause kennen. Die Art von Touristen, die am liebsten in Best-Western-Hotels unterkommen, sich ihr Nutella mit in den Urlaub nehmen und am liebsten in Bankog bei MC Donalds essen. Mit weissen Tennissocken in der Sandalen, dem ADAC-Reiseführer und der Kamera bewaffnet klappern diese "Gringos" dann die TopTips auf der Umschlaginnenseite des Reiseführers ab (am liebsten in Begleitung einer deutschsprachigen Reiseleitung) um das Land kennenzulernen.
Näherer Kontakt zur Kultur des Urlaubslandes ist den Gringos jedoch unerwünscht: Von dem typischen Essen bekommt man bestimmt Durchfall, die typischen Viertel sind bestimmt gefährlich und sowieso lassen Werte und Normen in diesem Land arg zu wünschen übrig, die Leute sind hier alles so anders - das höchste der Gefühle ist da die vom Hotel angebotene "Karibische Nacht", mit an europäischen Geschmack angepassten "typischen" Gerichten und ein paar traditionellen Tänzen.
Wir Austauschfreiwillige wollen natürlich trotz blonder Haare und verbrannter Nasen nicht in die Gringo-Kategorie gehören, sondern unser Gast- und vielleicht die Nachbarländer als "Locals" kennenlernen, in die Kultur eintauchen, Land und Leute kennenlernen.
Daraufhin brach ein regelrechter Wettkampf darum aus, wer alternativer reiste und näher an der Kultur dran war: Mit dem Lama über die Anden, im Kajak den Kongo runter, per Bananenlaster durch Malaysia oder auf dem Esel durch die Mongolei: Je abenteerlicher, desto besser - hauptsache kein Gringo!
Die Reiseziele der meisten Freiwilligen waren Orte, die keiner buchstabieren geschweige denn aussprechen konnte und die definitiv in keinem Reiseführer verzeichnet sind. Reiseführer sind schliesslich für Gringos. Wenn schon, dann nutzen alternative Backpacker den "Lonely planet".

Meine Reisen wurden von den Freiwilligen weltweit häufig belächelt: Ich flog meistens von Ort zu Ort, statt mich per Lastwagen durchzuschlagen und statt des unerlässlichen Backpacker-Atributs (dem Rucksack) benutzte ich einen spiessigen blauen Reisekoffer.
Da hätte ich ja gleich eine TUI-Pauschalreise buchen können.
Die Kultur würde ich so auf keinen Fall kennenlernen und auch keine Abenteuer erleben, sondern die gleichen Gringosfotos machen wie die Rentner der Kreuzfahrtschiff-Tagestouren.
So sagte man mir.

Mein Reisemantra ist jedoch nicht "Don´t be a GRINGO".
Ich halte mich an das, was meine Eltern mir sagten, wenn sie mir erklärten, warum wir in fremden Ländern kein Sauerkraut essen sondern in thailändischen Garküchen irgendwo auf die Karte tippen und uns überraschen zu lassen: "When in Rome, do as the Romans".
Wie könnte man schliesslich ein Land besser kennenlernen, als wenn man sich unter die Einheimischen mischt?
Deshalb suchte ich mir für meine Reiseroute hauptsächlich Ziele aus, in denen ich einheimische Freunde hatte: Santa Cruz de la Sierra, São Paulo, Buenos Aires und La Paz.
Statt also wie die "Gringos" von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit zu rennen oder wie die "alternativen Backpacker" die "Geheimtipps" des Lonely Planets abzuklappern (an denen es komischerweise von Backpackern aller Herren Länder wimmelt, aber keine Locals mehr da sind), liess ich mir die Stadt von Einheimischen zeigen. Statt in einem Hostel voller Backpacker schlief ich auf Lauras Couch, statt der Restauranttipps des Reiseführers lernte ich Paula Lieblingscafé kennen. Ich verpasste bestimmt so manches Museum, weil ich mit Mauricio auf einen untouristischen Berg kletterte und und einen atemberaubenden Blick auf die Anden genoss. Statt auf eine Tangoshow ging ich auf Partys mit echten Argentiniern und liess mir ein Gourmetrestaurant zeigen, das nicht mal der Lonely Planet kennt und statt einer Favela-Tour besuchte ich Freunde meiner Freunde in Stadtvierteln, in die Touristen sonst nicht gelangen. Ich liess mir von Experten zeigen, wie man Coca-Tee kocht, warum man am Titicacasee Kerzen anzündet und probierte das bolivianische Nationalgericht hausgemacht von Mauricios Oma. Ich ging mit echten Brasilianern auf ein typisch brasilianisches Volksfest und probierte gebratenes Hühnchen an der einzigen Garküche Santa Cruz, an der man laut Laura nicht krank davon wird.
Natürlich klingt "Ich hab ein paar Freunde besucht" nicht so abenteurlich wie "Ich bin auf dem Fahrrad durch Botswana gefahren". Aber ich denke, im Endeffekt lernt man Land und Leute dann kennen, wenn man mit Einheimischen unterwegs ist und nicht, wenn man mit Deutschen durch die Gegend trampt. Denn ehe man sich versieht, wird man zum Gringo: redet deutsch, kocht abends im Hostel Spaghetti Bolognese,spielt typisch deutsches Mensch-ärger-dich-nicht und merkt am Ende des Urlaubs, dass man das Land zwar bereist, aber nicht kennengelernt hat - Rucksack hin oder her.

An dieser Stelle ein dickes Dankeschön an Mauricio, Laura, Paula und Elisa - mit euch hatte ich die besten Urlaube meines Lebens.
Es lebe mein blauer Reisekoffer!

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Aus Gründen der Fairness möchte ich hier anmerken, dass nicht jeder Reisende in deiner glücklichen Lage ist, überall auf der welt Freunde zu haben, die er besuchen kann. das ist sicher die authentischste Art zu reisen. Allen anderen bleibt nichts anderes übrig, als sich mit Reiseführer bewaffnet auf den Weg zu machen, in der Hoffnung, mehr als die Top Tips der Umschlagseite zu sehen. Aber da fängt man meist an. Und zwischen Nutella-Mitnehmern und Bananenboottrampern gibt es eine große Bandbreite von Touristen, deren Möglichkeiten schon durch die Faktoren Sprachkenntnis und finanzielle Mittel häufig limitiert werden. Da bist du im Vergleich zu manchen anderen deutlich im Vorteil, vergiss das nicht. Trotzdem glaube ich auch, dass du auf deine Weise sicher am meisten von einer fremden Kultur siehst, freu dich darüber und mach weiter so.

partnervermittlung russland hat gesagt…

Euer Posting ist wirklich sehr interessant. Ihr habt eure eigenen Ideen, ich lese es sehr gerne. Danke für so einen coolen Blog.